Gentleman oder Heiliger

VON P. GEORG GANTIOLER FSO
Gentleman oder Heiliger?
Manchmal ist man ja ganz froh, einem Gentleman zu begegnen.
Laut Wikipedia ist ein Gentleman ein „aufgrund seiner Geburt, seines Charakters, seiner Bildung und seines Anstands sozial herausgehobener Mann“. Man wird von einem Gentleman nie schlecht behandelt, alles ist korrekt, angenehm und liebenswert. Ein Gentleman verletzt nicht und weiß sich zu beherrschen. Er verkörpert irgendwie das Idealbild eines anständigen Zeitgenossen. Hätten wir doch mehr davon!
Lieber einem Heligen begegnen
Dennoch: Lieber möchte ich einem Heiligen begegnen.
Warum? Man sieht einem Gentleman nicht ins Herz. Ein Gentleman ist gewissenhaft aus Selbstachtung und Anstand. Ob er es aber auch im Innersten gut mit mir meint? Man kommt nicht an sein Herz!
Ein Gentleman achtet andere aus Anstand, ein Heiliger aus Liebe. Und nur die Liebe hilft mir wirklich.
Jesus war kein Gentleman
Jesus war kein Gentleman.
Er konnte auch unangenehm werden. Nicht jeder ist ihm gerne begegnet.
Aber in ihm ist die Liebe Gottes in dieser Welt gegenwärtig geworden. Und wer ihm nicht nur oberflächlich begegnet ist, sondern eine wirkliche Begegnung mit ihm erlebt hat, durfte erfahren, was echte Liebe ist und was sie bewirkt.
Maria Magdalena
Maria von Magdala zum Beispiel.
Die Begegnung mit Jesus hat sie aus einem verworrenen Leben herausgeführt. Wäre Jesus ein Gentleman gewesen, hätte er sich wohl nicht öffentlich mit Maria, der Prostituierten gezeigt. Das wäre ja unstatthaft. Aber Jesus hat nicht in Kategorien gedacht. Er hat immer den einzelnen, einzigartigen Menschen vor sich gesehen: ob es die Ehebrecherin war, der Zöllner oder der römische Statthalter. Die Liebe hat einen anderen Blick auf den Menschen als der Anstand des Gentlemans. Die Erzählungen über die Begegnung des auferstandenen Herrn zeigen das alle so schön.
Jede Begegnung ist einzigartig. Jesus geht ganz auf denjenigen ein, dem er sich offenbart. Maria von Magdala ruft er einfach beim Namen und sie weiß, dass der vor ihr steht, der sie wirklich liebt.
Auch ich möchte bei meinem Namen gerufen werden, wirklich ernst genommen werden.
Darum möchte ich lieber einem Heiligen begegnen als einem Gentleman.