Debattenkultur oder: Lasst uns nach der Perle tauchen!
VON SANDRA-MARIA LERNBECHER
Einheit – sie ist die Voraussetzung für Frieden, wo Menschen zusammenleben und Interessen aufeinandertreffen: in WGs, Familien, Schulklassen, Arbeitsgruppen, Gemeinden, Gemeinschaften und Ländern. Viele Debatten werden in den letzten Jahren erschreckend polarisierend geführt: Corona, die Covid-Impfung, die Aufnahme von Flüchtlingen, der Klimawandel…all das sind Themen, die Gemeinden und Familien regelrecht spalten können; „Aktivisten“ stehen „Leugnern“ gegenüber und die dazugehörigen Diskussionen lassen oft kaum Raum für versöhnende Überlegungen.
Einheit –
Garant für eine fruchtbare Kirche,
für deren Glaubwürdigkeit und Wirkkraft.
Nach der Einheit zu streben ist uns Christen daher in besonderer Weise aufgetragen... und es gelingt uns oft nicht. 2000 Jahre nach dem „letzten Wunsch“ Jesu, der der Einheit galt, stehen wir einem Urwald an unvereinbaren Positionen gegenüber.
Sicher geht es Jesus nicht darum jeden Konflikt zu vermeiden, manch einer ist notwendig, reinigend und befreiend… auch Jesus hat sie nicht gescheut. Doch mit welcher Haltung könnten wir in Kirche, Gesellschaft und in unseren privaten Beziehungen zumindest einen Beitrag unsererseits zur Einheit leisten?
Guter Rat von Ignatius von Loyola.
Was er Leitern wie Empfängern seiner geistlichen Übungen empfiehlt, ist bedenkenswert für eine Debattenkultur:
„Jeder gute Christ muss mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen.“
Anstatt jede Gelegenheit zu nutzen, den Anderen als Schwachkopf zu entlarven, rät Ignatius dazu, die Aussage des Nächsten zu retten, also das Argument des Anderen wohlwollend aufzunehmen.
Zugleich ist Ignatius Realist genug, wenn er fortfährt: „Wenn man die Aussage seines Gegenübers nicht rechtfertigen kann, dann solle man nachfragen, wie jener sie verstehe.“
Es geht darum, den Anderen wirklich verstehen zu wollen. Ich kann davon ausgehen, dass jede Position ein Gut verteidigen will. Nehmen wir uns doch im Verlauf einer Diskussion ernsthaft vor, das Gut des Anderen ausfindig zu machen, wie als ob wir nach einer Perle tauchen. Unser Tauchequipment besteht im ernst gemeinten Nachfragen und Zuhören. Wieso denkt, handelt und fühlt der Andere, so wie er es tut?
Das kann Überraschendes zu Tage fördern: gemeinsame Anliegen, die sich hinter gegensätzlichen Äußerungen verbergen oder Gegebenheiten, die ich in meiner Position überhaupt nicht berücksichtigt habe. Nicht immer muss es dazu führen, dass ich meinen Standpunkt maßgeblich ändere oder gar aufgebe. Vielleicht bestätigt die Auseinandersetzung meinen Eindruck, die Aussagen des Anderen korrigieren zu müssen – dann aber in Liebe und mit angemessenen Mitteln, wie Ignatius rät.
Erfolg garantiert?
Auch wenn nicht jeder Perlentauchgang zum Erfolg führt – eine auf diese Weise geprägte Debattenkultur mag die Chance erhöhen, dass das Ringen um die Einheit in wertschätzender Weise geschieht und fruchtbare Lösungen zu Tage gefördert werden.
Dieser Impuls steht in Verbindung mit unserem Studientag der Abteilung Evangelisierung mit dem Thema: "Alle sollen eins werden - Die Bedeutung der Einheit für die Evangelisierung".
Herzliche Einladung dazu!
Zur Veranstaltung