Leben im Sonnenlicht

VON P. GEORG GANTIOLER FSO
Die hl. Therese von Lisieux (1873 – 1897) war in den letzten Wochen ihres jungen Lebens mit fortgeschrittener Tuberkulose ans Bett gefesselt. Die Art, wie sie ihrer Krankheit trug, beeindruckte die Mitschwestern, und sie fühlten, dass hier wohl eine Heilige auf dem Weg ins Ewige Leben war.
Therese selbst interpretierte ihr Leben anders.
Einmal berichtete sie „Ich beugte mich ein wenig vor und sah durch das Fenster, wie die Sonne unterging und ihr letztes Feuer über die Natur ergoss, sodass die Wipfel der Bäume ganz vergoldet schienen. Das sagte ich mir: Welch ein Unterschied, ob man im Schatten bleibt, oder ob man sich im Gegenteil der Sonne der Liebe aussetzt; da erscheint man ganz golden. Deshalb scheint es, als sei ich ganz golden. In Wirklicheit bin ich es nicht, und würde ich mich von der Liebe entfernen, so würde ich gleich nicht mehr golden sein.“
Leben in der Liebe
Es ist nicht zuerst unsere eigene Liebe, die unser Leben „golden“ macht.
Es ist die Liebe Gottes, die uns bescheint. Das Wissen, definitiv von Gott angekommen, gewollt und geliebt zu sein, macht den wahren Reichtum unseres Lebens aus. Aus dieser Wirklichkeit zu leben, macht glücklich. Wenn dieses Glück nicht in uns versickert, sondern wenn wir es weitergeben, dann fließt das Gold aus unserem Herzen auf andere über. Die Liebe leben heißt: Liebe geben.
Vertrauen versus Leistung
Wir leben in eine Welt, die Leistung will und fordert.
Viele Menschen werden unter diesem Druck krank.
Manchmal wird kirchliches und geistliches Leben ebenso „drückend“.
Was muss ich vor Gott leisten, was muss ich alles tun? Die hl. Therese war fest überzeugt, dass Gott von uns keine Leistung, sondern Vertrauen will. „Mein Weg ist ganz Liebe und Vertrauen“, schrieb sie. Vertrauen ist immer Antwort auf erfahrene Liebe. Wir können niemals Gott zurückgeben, was er uns schenkt. Was wir können, ist Resonanz geben: „Jesus, ich vertraue auf dich!“